Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am
30. Januar 1933 begann die Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung. Dem Boykott und Terror folgten gesetzliche Maßnahmen. "Arierparagraphen" drängten die Juden aus ihren Berufen als Beamte, Wissenschaftler und Künstler. Die Nürnberger Gesetze von 1935 machten die Juden als "Nichtarier" zu "Staatsangehörigen" ohne politische Rechte.
Die jüdischen Organisationen reagierten auf Ausgrenzung und Verfolgung mit dem Aufbau einer vielfältigen wirtschaftlichen und sozialen Selbsthilfe. So hielt der Jüdische Kulturbund unter schwersten Bedingungen ein eigenständiges Kulturleben aufrecht. Zur zentralen Aufgabe wurde jedoch die Förderung der Auswanderung.
Dem Novemberpogrom von 1938 folgte die systematische Ausschaltung der Juden aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Die forcierte "Arisierung" der Wirtschaft entzog den Juden ihre Existenzgrundlage und erschwerte ihre Auswanderung. Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs lebten die deutschen Juden in sozialer und wirtschaftlicher Isolation.

Boykott jüdischer Geschäfte

 

"Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!", "Meidet alle jüdischen Geschäfte!", "Jüdisches Geschäft! Wer hier kauft wird photographiert!" Mit diesen Parolen begann am 1. April 1933 um 10 Uhr ein reichsweiter Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte. Diese antisemitische Kampagne wurde vom "Zentral-Komitee zur Abwehr der jüdischen Gräuel- und Boykotthetze" unter dem fränkischen NS-"Gauleiter" Julius Streicher organisiert.
Überwacht wurde der Boykott von SA-Mitgliedern, die auf den Fotos an ihren Uniformen zu erkennen sind.
Seit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurden die antijüdischen Aktivitäten von Parteimitgliedern immer rabiater. Justiz und Polizei schritten gegen die Täter nicht ein. Das Ausland, vor allem die USA, beobachteten den staatlich geduldeten und geförderten Antisemitismus mit Sorge. Die USA dachte sogar an einen Handelsboykott. Als Reaktion darauf und auf die Berichterstattung der ausländischen Presse rief Joseph Goebbels zum "Judenboykott" auf, der nach seinem Wunsch vom 1. April bis zur "Kapitulation der Auslandspresse" andauern sollte. Nachdem es in der Bevölkerung, vor allem in den katholischen Regionen, zu zahlreichen Solidaritätskundgebungen mit den jüdischen Mitbürgern gekommen war, wurde der Boykott am Abend des 1. Aprils für beendet erklärt. Daraufhin begann die nationalsozialistische Regierung die sogenannte "Judenfrage" auf gesetzlichem Wege zu "regeln".
Der erste Schritt war die Verabschiedung des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" am 7. April 1933. Dieses Gesetz sah vor, dass "nichtarische" Beamte in den Ruhestand versetzt werden konnten. Hiervon ausgenommen waren zunächst Kriegsveteranen des Ersten Weltkriegs und Hinterbliebene von jüdischen Gefallenen. Im Mai wurde ein "Ariernachweis" auch von Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes gefordert.
"Nichtarisch" war nach dem Gesetz vom 7. April ein Deutscher, der ein Eltern- oder Großelternteil mit jüdischer Religionszugehörigkeit hatte. Auch wenn er selbst zu einem anderen Glauben übergetreten oder Atheist war!
Wenn Sie den Boykott-Aufruf des Propagandaministers Joseph Goebbels vom 1.4.1933 im Original hören möchten, klicken Sie bitte auf das Lautsprechersymbol

Das Tondokument stammt von der DHM-Audio CD: 1933 - Der Weg in die Katastrophe, aus der Reihe Stimmen des 20. Jahrhunderts und ist über den Museumsshop des Deutschen Historischen Museums zu beziehen.

 

Die Bücherverbrennung

 

Foto von der Bücherverbrennung in Berlin

Organisiert vom "Hauptamt für Presse und Propaganda der Deutschen Studentenschaft" wurde in vielen deutschen Städten am 10. Mai 1933 sogenanntes "undeutsches Schrifttum" verbrannt. Dazu gehörten Werke von deutschen Schriftsteller wie Berthold Brecht, Erich Kästner, Heinrich Mann und Kurt Tucholsky, aber auch ausländische Autoren wie Voltaire und Maxim Gorki.
Öffentliche und private Bibliotheken wurden von sogenanntem "zersetzendem Schrifttum" "gesäubert". Allein in Berlin wurden bis Ende Mai 1933 rund 10.000 Zentner Literatur beschlagnahmt. Die Listen mit verbotenen Büchern umfassten 3.000 Titel. Bücherverbrennungen als antijüdische Aktion gehen bis aufs Mittelalter zurück.
Auf dem Bebel-Platz befindet sich heute ein Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung: Ein in den gepflasterten Boden eingelassene Bibliothek mit leeren Regalen.
Ein Zitat von Heinrich Heine aus seiner Tragödie "Almansur" 1823 bewahrheitete sich in der nationalsozialistischen Regierungszeit auf traurige Weise : "Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen." Heinrich Heines Werke befanden sich ebenfalls auf der "Schwarzen Liste".
 
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Das Tondokument stammt von der DHM-Audio CD: 1933 - Der Weg in die Katastrophe, aus der Reihe Stimmen des 20. Jahrhunderts und ist über den Museumsshop des Deutschen Historischen Museums zu beziehen.

Titelblatt der AIZ, Fotomontage von John Heartfield

Sie sehen das Titelblatt der 18. Nummer der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung, die am 10. Mai 1933 bereits in Prag erschien. Die Fotomontage von John Heartfield zeigt im Hintergrund den Reichstag in Flammen, davor die brennenden Bücher und links Joseph Goebbels mit erhobenem Zeigefinger. Die Szenerie spielt sich auf dem Berliner Opernplatz ab, dem heutigen Bebel-Platz.
John Heartfield wurde als Helmut Franz Josef Herzfeld am 19. Juni 1891 in Berlin geboren. Er studierte in seiner Heimatstadt und in München Kunst. 1916 gründete er mit seinem Bruder Wieland die antimilitaristische Zeitschrift "Neue Jugend" und den alternativen Malik-Verlag.
Als Protest gegen die Propagierung von Feindbildern, insbesondere gegen England, nahm er während des Ersten Weltkrieges den Namen John Heartfield an. Nach Kriegsende schloss er sich der Kommunistischen Partei an und wandte sich künstlerisch den Dadaisten zu. 1933 emigrierte er nach Prag, um dort politisch aktiv bleiben zu können. Nach dem Überfall auf die Tschechoslowakei floh Heartfield 1938 nach London. 1950 kehrte er nach Deutschland zurück. Er arbeitete in der DDR als freischaffender Plakat- und Buchkünstler und schuf vor allem für Berthold Brechts Theateraufführungen zahlreiche Bühnenbilder. John Heartfield starb 1968 in Berlin.
 
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Die Nürnberger Gesetze

 

Nürnberger Rassegesetze

Der siebte Reichsparteitag der NSDAP, der "Reichsparteitag der Freiheit", fand 1935 in Nürnberg statt. Er wurde von Hitler zum Reichstag erklärt. Damit konnten Gesetze verabschiedet werden. Die antijüdischen Gesetze vom 15. September 1935 wurden dort beschlossen und tragen deshalb den Namen "Nürnberger Rassegesetze". Ausgehend von der nationalsozialistischen Ideologie, dass Juden einer von Nichtjuden abgrenzbaren, "minderwertigen Rasse" angehörten, sollten sie aus dem bürgerlichen Leben völlig verdrängt werden.
Die Nürnberger Gesetze bestanden aus zwei Gesetzen: Dem "Reichsbürgergesetz" und dem "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre".
Das "Reichsbürgergesetz" sehen Sie grafisch dargestellt. Es enthielt die Definition, wer von nun an Jude und wer "deutschblütig" sei. "Jude" war demnach, wer von drei jüdischen Großeltern abstammte. Wer zwei jüdische Großeltern hatte, galt als "Mischling ersten Grades". Wer als "Mischling" aber einer jüdischen Gemeinde angehörte oder einen Juden bzw. eine Jüdin heiratete, wurde als sogenannter "Geltungsjude" wie ein "Volljude" behandelt.
Juden waren von nun an keine "Reichsbürger" mehr, sondern "Staatsangehörige" und damit Bürger zweiter Klasse. Sie besaßen keine politischen Rechte mehr.
Für die Aufnahme in den Staatsdienst, den Besuch einer Universität, die Zulassung an eine Schule oder für eine Lehre war von nun an ein Abstammungsnachweis zu führen. Jüdische Rechtsanwälte verloren ihre Zulassung, Ärzte durften keine "Arier" behandeln, Journalisten nicht mehr für "arische" Blätter schreiben.
Das zweite, kurz "Blutschutzgesetz" genannt, stellte Eheschließungen und außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen sogenannten Juden und Deutschblütigen unter Strafe. Solche Partnerschaften galten als "Rassenschande".
Mit den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 verabschiedete sich die NSDAP und das "Dritte Reich" von der Grundlage jeden modernen Staates: der Gleichstellung aller Bürger. Diese Gesetze legten die Basis für eine Flut von Erlassen und Verordnungen, die Juden in Deutschland in den folgenden Jahren immer weiter entrechteten, enteigneten und aus der Gesellschaft hinausdrängten.
 
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Antisemitische Propaganda

 

Antisemitisches Bilderbuch für Kinder: "Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid!"

Der Text und das Bild befinden sich in dem Kinderbuch "Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid! Ein Bilderbuch für Groß und Klein." Die achtzehnjährige Elvira Bauer dichtete und zeichnete es 1936, um ihr Kunststudium zu finanzieren. Die nationalsozialistische Zeitschrift "Der Stürmer" empfahl das Buch für jeden Weihnachtstisch im Reich.
Der Fuchs wird als Sinnbild alles Falschen und der Hinterlist dem jüdischen Menschen gleichgestellt.
Alle Vorurteile werden kindgerecht beschrieben. Als Sündenbock für alles Böse und Schlechte wird DER Jude vorgestellt.
"Der Stürmer" war begeistert von dem Werk: "Aber nicht bloß für die kleine Kinder hat Elvira Bauer dieses einzigartige Bilderbuch geschaffen. Auch für Große ist es bestimmt, denn so lange es noch Leute gibt, die da glauben, aus einem Juden könne man durch Taufe einen Nichtjuden machen, so lange es noch Leute gibt, die in ihrem ‚anständigen' Juden nicht den verkappten Teufel erkennen, so lange es noch Leute gibt, die da glauben, das Heil komme vom jüdischen Volke, so lang es noch solche Leute gibt, hat Elvira Bauer ihr einzigartiges Bilderbuch auch für große Kinder gemacht."
 
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Flucht und Vertreibung
Rund 560.000 Juden lebten 1933 in Deutschland. Bis zum endgültigen Ausreiseverbot ab Oktober 1941 emigrierten ungefähr 280.000 von ihnen. Es gab drei größere Emigrationsphasen: 1933 unter dem Eindruck der Boykottaktion und der ersten gesetzlichen Maßnahmen zum Berufsausschluss; 1935 im Zuge der Nürnberger Gesetze und schließlich 1938/39 nach dem Novemberpogrom. Schon seit Anfang 1938 war die Zahl der Emigranten vor dem Hintergrund der verschärften antijüdischen Maßnahmen angestiegen, doch während die Juden immer stärker zum Verlassen Deutschlands gedrängt wurden, behinderten unzählige Reglementierungen ihre Auswanderung.


Die Irrfahrt der "St. Louis"


Mit über 900 jüdischen Flüchtlingen verließ der Luxusdampfer "St. Louis" am 13. Mai 1939 den Hamburger Hafen in Richtung Havanna. Als das Schiff nach zwei Wochen Havanna erreichte, erfuhren die Passagiere, dass die kubanische Regierung alle Einreisegenehmigungen für ungültig erklärt hatte. Verhandlungen mit der kubanischen Regierung führten zu keinem Ergebnis. Auch die amerikanische Regierung verweigerte die Aufnahme der Flüchtlinge. Zur Rückkehr nach Europa gezwungen, drohte der Kapitän, das Schiff in englischen Gewässern auf Grund zu setzen, um die Flüchtlinge aus Seenot retten zu lassen. Daraufhin erklärten sich Belgien, Frankreich, die Niederlande und Großbritannien zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit. Am 17. Juni 1939 gingen die Passagiere in Antwerpen an Land. Die meisten von ihnen fielen nach Kriegsbeginn den Nationalsozialisten in die Hände und wurden in die Vernichtungslager deportiert.

 

Bei den Audiodateien handelt es sich um Dateien im mp3-Format.
mp3- Dateien können unter anderem mit dem Programm Winamp auf Ihrem Computer abgespielt werden. Das entsprechende Programm können Sie sich unter folgender Adresse kostenlos herunterladen :
http://www.winamp.com/download/

 

Die Tondokumente stammen aus der Hörführung zur Ausstellung.

Informationen zu Führungen und Museumspädagogik