1. Nachrichten
  2. Wissen
  3. Mensch
  4. Geschichte
  5. 1. April 1933: Boykott jüdischer Geschäfte: Als die Nazis mit der Jagd auf die Juden begannen

1. April 1933: Boykott jüdischer Geschäfte: Als die Nazis mit der Jagd auf die Juden begannen
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Berlin, NS-Boykott gegen jüdische Geschäfte
Bundesarchiv, Bild 102-14468 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0 1. April 1933: SA-Mitglieder kleben an das Schaufenster eines Berliner jüdischen Geschäfts ein Schild mit der Aufschrift „Deutsche, wehrt euch, kauft nicht bei Juden“.

„Kauft nicht bei Juden!“ fordern am 1. April 1933 die eben an die Macht gekommenen Nazis die Deutschen auf. Der staatlich organisierte Terror gegen die jüdische Bevölkerung beginnt. Er gipfelt nur wenige Jahre später im Holocaust.

Deutschland, 1. April 1933, 10 Uhr: Landesweit ziehen vor jüdischen Geschäften uniformierte und zum Teil bewaffnete SA-Trupps auf. Sie sollen durchsetzen, was die Parteiführung der NSDAP vier Tage vorher angeordnet hat – und was nun an Schaufensterscheiben und auf Plakaten in Großbuchstaben zu lesen ist: „Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!“ Mit dem Boykott jüdischer Geschäfte, der auch jüdischen Ärzten und Rechtsanwälten gilt, zeigt das nationalsozialistische Regime an diesem Samstag vor 80 Jahren ganz offen seine antisemitische Fratze – nur zwei Monate nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar.

Teils brutale Übergriffe der SA, Boykottmaßnahmen, Plünderungen und Schikanen mussten jüdische Händler und Gewerbetreibende schon in der Weimarer Republik über sich ergehen lassen. Anfang 1933 nehmen die Attacken mit dem Beginn der Nazi-Herrschaft zu. Zunächst handelt es sich allerdings noch um lokale Einzelaktionen. Am 1. April 1933 wird jedoch aus staatlich geduldeter Gewalt erstmals staatlich organisierter Terror.

Fadenscheinige Boykott-Begründung


Fadenscheinig begründen die Nazis den Boykott als Reaktion darauf, dass das Ausland Maßnahmen gegen Deutschland erwäge. Denn in den USA zum Beispiel wird öffentlich darüber diskutiert, wegen der Judenverfolgung deutsche Waren zu boykottieren. Jüdische Organisationen raten jedoch zur Mäßigung. Sie befürchten Vergeltungsmaßnahmen an den deutschen Juden. Genauso kommt es.

Am 26. März schreibt Propagandaminister Joseph Goebbels in sein Tagebuch: „Wir werden gegen die Auslandshetze nur ankommen, wenn wir ihre Urheber oder doch wenigstens Nutznießer, nämlich die in Deutschland lebenden Juden, die bisher unbehelligt blieben, zu packen bekommen. Wir müssen also zu einem groß angelegten Boykott aller jüdischen Geschäfte in Deutschland schreiten.“

Die Masse der Bevölkerung bleibt passiv


Am 28. März fordert die NSDAP-Parteileitung: „Kein Deutscher kauft noch bei einem Juden (...). Der Boykott muss ein allgemeiner sein. Er wird vom ganzen Volk getragen und muss das Judentum an seiner empfindlichsten Stelle treffen.“ Der Boykott soll „bis in das kleinste Bauerndorf hinein“ organisiert werden. Zum Leiter der Aktion wird der Herausgeber des Hetzblattes „Der Stürmer“, Julius Streicher, ernannt. Er lässt in einem Aufruf vom 30. März keinen Zweifel, dass es den Nazis um mehr als den zeitweisen Boykott von Geschäften geht: „Am Samstag (...) beginnt des deutschen Volkes Abwehraktion gegen die jüdischen Weltverbrecher.“

Doch der „staatlich verordnete Antisemitismus“, von dem später der Politologie-Professor Karl Dietrich Bracher spricht, funktioniert nur begrenzt. Zwar herrscht in weiten Kreisen der Bevölkerung eine latent judenfeindliche Stimmung vor, aber viele Bürger sind vom brutalen Auftreten der Schlägertrupps der NSDAP angewidert. Wer von ihnen trotzdem demonstrativ in jüdischen Geschäften einkauft, wird selbst drangsaliert. SA-Leute fotografieren die Kunden, die Bilder erscheinen in der Zeitung, die Namen hängen öffentlich aus. Die Masse der Bevölkerung bleibt passiv. Am Abend des 1. April setzt die Regierung den Boykott aus, drei Tage später erklärt sie ihn für beendet.
Zum Thema
Wahlsieg mit brauner Propaganda und Hassparolen

Als Hitler die Macht übernahm

Wahlsieg mit brauner Propaganda und Hassparolen

Mit dem Reichstag verbrannte die ganze Republik

Reichstagsbrand am 27. Februar 1933

Mit dem Reichstag verbrannte die ganze Republik

Euthanasie – Mord im Namen der Rassenlehre

Die Menschenversuche der Nazi-Ärzte

Euthanasie – Mord im Namen der Rassenlehre

Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch