Belkaw-ArenaDeswegen hat Bergisch Gladbach ein so großes Stadion

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Stadion Historisch 1 230721

SV Bergisch Gladbach 09 gegen Hombruch 09/Dortmund in der Endrunde um die Westdeutsche Amateurmeisterschaft am Pfingstmontag 26. Mai 1958. 

Bergisch Gladbach – Der Pfingstmontag 1958 ist für die Gladbacher ein Fußballfeiertag gewesen. Tausende pilgern am Nachmittag die Paffrather Straße hoch zum Stadion, zum Spiel der Roten Teufel von SV 09 Bergisch Gladbach. 7000 Zuschauer sind es, die in Vierer- und Fünferreihen am Spielfeld stehen. Gespielt wird an diesem 26. Mai 1958 gegen Hombruch 09 aus Dortmund, damals eine der besten Amateurmannschaften Deutschlands. 2 : 2 heißt es zum Abpfiff. Das war zu wenig für die Gastgeber, die in der Endrunde zur Westdeutschen Amateurmeisterschaft ausscheiden.

Das Spiel ist eines der letzten großen von 09 mit Tausenden von Zuschauern. Erst im Juni 1979 strömen wieder die Massen, diesmal zu den Fußballfrauen der SSG 09, und mit 12 000 Zuschauern ist die Anlage das erste und einzige Mal in ihrer Geschichte ausverkauft.

Leere Ränge bei den Spielen

Das alles ist lange her und Teil der deutschen Fußballgeschichte. Der Fußballverein SV 09 Bergisch Gladbach ist kein Publikumsmagnet. Der Verein ist gerade abgestiegen: Von der vierten in die fünfte Liga. In der neuen Saison werden sich noch weniger Zuschauer auf den Rängen verlieren. 10 500 Plätze bietet das Stadion seit dem letzten großen Umbau 1986. Ist das nicht etwas viel Platz? Aber es war ja nicht immer so.

Als das Stadion am letzten Juli-Wochenende 1955 eingeweiht wurde, konnte es nicht groß genug sein. Es war das „Stadion der 10 000 Turner“. Die Stadt hatte 478 000 Mark in die Hand genommen, um aus dem kleinen Waldstadion von 1933 (errichtet vom Turn-und Fechtverein 1888 als Vorläufer der Turnerschaft 1879) eine moderne Sportstätte werden zu lassen.

Volksfest der Turner in Gladbach

Drei Dinge kamen zusammen: Die Erfolge der Fußballer, die 1953 Deutscher Amateurmeister wurden und auf dem uralten Aschenplatz am Kradepohl (Krötenteich) nahe der Mülheimer Straße kickten; dann der Ausbau des Schulsports (1958 Umzug des Gymnasiums in Stadionnähe). Und das große Rheinische Bundesturnfest im Juli 1955.

Als das Stadion voll war

Große Spiele in Gladbach

2. August 1953, DFB-Pokal, SV 09 - VfB Stuttgart (1:1 n.V.), 12 000 Zuschauer, am Kradepohl.

10. August 1955, DFB-Pokal-Vorrunde, SV 09 - SV Sodingen (4:3), 6000 Zuschauer, Stadion Paffrather Straße.

21. September 1955, DFB-Pokal-Vorrunde, SV 09 - Preußen Dellbrück (2:0), 6000 Zuschauer, am Kradepohl.

28. Mai 1958, Endrunde Westdeutsche Meisterschaft, SV 09 - Hombruch 09 (2:2), 7000 Zuschauer, Stadion Paffrather Straße.

9. Mai 1959, DFB-Pokal-Vorrunde, SV 09 - Borussia Dortmund (3:2), 5000 Zuschauer, Stadion Paffrather Straße.

7. Mai 1960, DFB-Pokal-Vorrunde, SV 09 - 1. FC Köln (1:6), 8000 Zuschauer, Stadion Paffrather Straße.

24. Juni 1979, Finale Deutsche Meisterschaft der Frauen, SSG 09 - Bayern München (1:0), 12 000 Zuschauer, Stadion Paffrather Straße. (cbt)

Gladbach, damals Gastgeber für zehntausend Teilnehmer, feierte ein Volksfest der Turner. Die Kreisstadt präsentiert sich an den Festtagen mit „grünen gepflegten Rasenflächen“ , die sich „anmutig“ in die Umgebung einfügen. Als „Aufmarschfeld“ für die Turner und ihre „Massenfreiübungen“ diene das Stadion, berichtet die Lokalzeitung stolz.

2500 Schülerinnen und Schüler im Einzugsgebiet

Dass der Stadt ein großes Stadion fehlte, war die Überzeugung der frühen 50er-Jahre. 1951 weilte der Kölner Sportfunktionär Carl Diem in der Stadt und begutachtete den vorhandenen Platz an der Paffrather Straße. Genau hier müsse das Stadion entstehen, wegen der „herrlichen Fernsicht“ und der „romantischen Bewegtheit“ des Geländes; es lag allerdings umgeben von Industrien. Die Stadtväter und Stadtmütter folgten der Empfehlung und benannten später eine Straße nach Diem.

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Das nahe Gymnasium und die Volksschulen in Paffrath und der Stadtmitte könnten die Anlagen nutzen, war für den Stadionbau argumentiert worden, ebenfalls die organisierte Sportjugend. Wenn auch Kabinen und Waschräume fehlten. 2500 Schülerinnen und Schüler lernten im Einzugsgebiet der Sportanlage, die erstmals einen Rasenplatz bot.

Vereine wechselten zwischen Spielstätten

Und die Fußballer der Nullneuner? Sie waren offenbar hin- und hergerissen. Hier die moderne Anlage, dort die Tradition des Aschenplatz und der Kradepohl-Nimbus. Als eine fast uneinnehmbare Festung galt der alte Aschenplatz. Am Kradepohl hatten die Roten Teufel von Spielertrainer Jupp Werheid im Meisterjahr 1953 die Mannschaften reihenweise nach Hause geschickt. Im August 1953 kamen sagenhafte 12 000 Zuschauer zum DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den VfB Stuttgart (1: 1 nach Verlängerung).

Anfangs wechselte der Verein zwischen den Spielstätten, und zu den entscheidenden Spielen kamen Tausende. Die 7000 vom Pfingstmontag 1958 waren keine Seltenheit in diesen Jahren. Das erste Mal auf der neuen Anlage spielte der SV 09 am 10. August 1955, zwei Wochen nach der Einweihung mit den Turnern. 4 : 3 siegten die Gastgeber im DFB-Pokal (Vorrunde) gegen den Westmeister SV Sodingen 1912 aus Herne. 6000 Zuschauer sahen das Spiel. Zur dritte Pokal-Vorrunde gegen Preußen Dellbrück (2:0) wird allerdings wieder am Krötenteich gekickt, und wieder stehen 6000 Zuschauer am Platz.

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