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  3. Kurt Westergaard, der Mohammed-Karikaturist: Der Prophet – ein Nachruf

Kultur Kurt Westergaard †

Der Zeichner der Mohammed-Karikaturen ist tot

Kurt Westergaard (1935-2021) Kurt Westergaard (1935-2021)
Bombe im Turban: Kurt Westergaard (1935-2021)
Quelle: dpa
Mit seinen Mohammed-Karikaturen nahm Kurt Westergaard vorweg, was ihm widerfahren sollte: Mullahs setzten Millionen auf seinen Kopf aus, seit 2005 stand er unter Personenschutz. Einen Mordanschlag hat er überlebt. Nun ist der dänische Zeichner friedlich eingeschlafen.

Dass Kurt Westergaard bei sich daheim, unweit von Aarhus, als alter Mann im Kreis seiner Familie für immer einschlafen konnte, ist alles andere als selbstverständlich. Viele Millionen Muslime hätten ihn gerne umgebracht. Der frühere Zeichner der Tageszeitung „Jyllands-Posten“ musste deswegen seit 16 Jahren unter Personenschutz leben, denn seine Arbeit hatte ihn zu einem der meistbedrohten Menschen des Planeten gemacht.

Die Zeichnung des Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban, die gemeinsam mit weiteren islamkritischen Bildern 2005 in Westergaards Blatt erschien, löste – mit einiger Verspätung und viel politischer Regie – einen gewaltsamen Entrüstungssturm in weiten Teilen der islamischen Welt aus. Dänische Produkte wurden boykottiert, dänische Fahnen verbrannt, Botschafter abberufen und die dänischen Gesandtschaften in Beirut und Damaskus vom Mob abgebrannt; es gab bei den Protesten mehrere Tote.

Mit der Ruhe im Leben des Zeichners, der gerne altmodische Hüte trug, war es seither vorbei. Er musste über Monate die Wohnung wechseln und sich gemeinsam mit seiner Frau Gitte verstecken. Doch niemals bekundete Westergaard Reue für seine Karikatur. Warum auch? Er hatte auf den Zusammenhang zwischen einer Religion und ihren gewalttätigen Auswüchsen hingewiesen, und die Wut über diesen Hinweis mündete – in brutalster Gewalt.

Westergaard, der sonst eher die beschaulichen Konflikte der dänischen Innenpolitik mit dem Zeichenstift kommentierte, hatte ein wahrlich prophetisches Bild erschaffen. Mullahs in Pakistan setzen Millionen Euro Kopfgeld auf ihn aus. 2010 gelang es einem religiös verblendeten und offenbar geldgierigen Asylbewerber aus Somalia, ins Haus des Zeichners einzudringen. Vor den Axthieben konnte Westergaard gerade noch ins Bad flüchten. Später wollte er den zu zehn Jahren Haft verurteilten Täter im Gefängnis sprechen, um seine Beweggründe zu verstehen, und um sich zu bedanken, dass er den im Haus anwesenden Enkel verschont hatte. Doch der Killer verweigerte den Dialog.

Eine öffentliche Entschuldigung? Wofür?

Mindestens drei weitere Terrorattacken auf Westergaard wusste der dänische Geheimdienst PET zu verhindern, dazu noch einen auf die schwerbewachte Redaktion von „Jyllands-Posten“ in Aarhus. Deren Chefredakteur Jacob Nybroe pries in einem Nachruf Westergaards Gleichmut. Wie alle Kollegen habe er nicht kommen sehen, was auf die Karikaturen folgte: „Doch er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.“

Sein Kampf für Meinungsfreiheit dürfe nicht mit Westergaard sterben, denn diese Haltung sei mehr denn je aktuell. Nybroe verwies auf eine Karikatur der chinesischen Flagge, auf welcher der Zeichner Niels Bo Bojesen im vergangenen Jahr die gelben Sterne durch Coronaviren ersetzt hatte. China forderte eine öffentliche Entschuldigung von „Jyllands-Posten“ – bekam sie aber nicht.

Jyllands Posten war nicht allein. Verschiedene internationale Zeitungen haben die umstrittenen Karikaturen veröffentlicht. Viele waren es allerdings nicht
Jyllands Posten war nicht allein. Verschiedene internationale Zeitungen haben die umstrittenen Karikaturen veröffentlicht. Viele waren es allerdings nicht
Quelle: dpa

Westergaard selbst, der seit 1983 als Quereinsteiger für Zeitungen arbeitete, hörte erst als 75-Jähriger mit dem journalistischen Tagesgeschäft auf und widmete sich seither dem Malen – immer unter Personenschutz. Sein Galerist Erik Guldager schwärmte nun vom hintersinnigen Humor seines berühmtesten Künstlers, dessen Werke Käufer in über 60 Länder fanden. Der ausgebildete Deutschlehrer Westergaard wurde zudem mit diversen Preisen ausgezeichnet. So überreichte ihm Bundeskanzlerin Merkel 2010 in Potsdam persönlich den „M100-Medienpreis“, wogegen der Zentralrat der Muslime in Deutschland wütend protestierte.

Dass nach seinem Fall die Grenzen der Meinungsfreiheit in Europa enger gezogen wurden, darüber machte sich Westergaard keine Illusionen. Keine Zeitung in Europa würde es heute noch wagen, ähnliche Karikaturen zu veröffentlichen, weil damit das Leben aller Mitarbeiter in Gefahr geriete.

So gesehen, haben die mörderischen Vereinfacher in ihrem Krieg gegen die Freiheit gesiegt. Immerhin – diesen liebenswürdigen, auch im hohen Alter immer noch neugierigen und vor allem bewundernswert mutigen Zeichner haben sie nicht gekriegt. Farvel, Kurt Westergaard!

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