Arandis liegt mitten in der Wüste, umgeben von Sand und Geröll. Die Straßen sind staubig, monoton reihen sich Häuser aneinander, die sich nur in der Farbe ihres Putzes voneinander unterscheiden. Es ist still, wenige Menschen sind in der Mittagshitze unterwegs. "Wenn man Arandis verlässt, stirbt man", sagen die Einheimischen des Städtchens in der Namib-Wüste Namibias.

Arandis wurde 1975 vom anglo-australischen Bergbauunternehmer Rio Tinto gebaut. Hier sollten die schwarzen Arbeiter wohnen, die damals aus allen Teilen des Landes in die Gegend kamen und als Angestellte der neuen Uranmine ein besseres Leben beginnen wollten.

Einer von ihnen war Petrus Hoaeb. Er ist groß und gebrechlich; ein in sich ruhender Mann mit leiser Stimme. Hoaeb ist krank: Anämie, Diabetes, Bluthochdruck, Knochenschwäche und anderen Krankheiten wurden bei ihm diagnostiziert. Seine Beine sind schwer und oft taub. "Eine Zeit lang saß ich im Rollstuhl, weil ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte", sagt er.

Der Arzt sagte: "Verstrahlt? Mag sein, aber macht nichts"

Mit 17 war er nach Arandis gekommen, ein Jahr bevor die zeitweilig größte Uranmine der Welt öffnete. Endlich gab es etwas zu tun, anderswo herrschte Arbeitslosigkeit im Land. Er sei fit und gesund gewesen, habe Fußball gespielt, geboxt und Karate gemacht. Er war motiviert, sagt er. Hoaeb brachte seine ganze Familie mit, für alle war Platz in Arandis. "Die Zukunft sah rosig aus", sagt er. Er wurde Zeuge, wie Rio Tintos Tochterfirma Rössing Namibia zu einem der weltweit führenden Uranexporteure machte. Das westafrikanische Land begann, Europa, die USA und Japan mit dem Rohstoff zu versorgen, mit dem sie ihre Atomkraftwerke antrieben.

40 Jahre später ist von der Aufbruchstimmung nichts mehr übrig. Zwar wurden in der nahen Mine im Jahr 2012 nach Angaben von Rio Tinto immer noch vier Prozent des weltweit geförderten Urans abgebaut, und die Mine soll sogar ausgebaut werden. Die Preise für den Rohstoff Uran aber sind nicht mehr hoch, die Zeiten, in denen Rio Tinto kaum Wettbewerber in der Industrie hatte, sind vorbei. Das Städtchen Arandis ist immer noch das Zuhause der Minenarbeiter. Dreißig Jahre hat Hoaeb im Labor der Rössingmine gearbeitet. 2003 schrieb sein Arbeitgeber ihn krank, 2012 wurde ihm gekündigt.

Dass seine Krankheiten arbeitsbedingt sein könnten, kam Hoaeb lange nicht in den Sinn. Doch dann tauchte Anfang der neunziger Jahre der Medizinstudent Reinhard Zaire auf, der die Langzeitfolgen von niedrigen Strahlendosen in der Rössingmine erforschen wollte. "Zaire nahm Blutproben von uns und sagte, in der Mine gebe es gefährliche radioaktive Strahlung", erzählt Hoaeb. Zaire habe gesagt, die Männer sollen in ihre Krankenakten schauen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. "Ich öffnete meine Akte, obwohl ich wusste, dass das nicht erlaubt war. Darin stand, dass ich verstrahlt bin. Als ich den Arzt darauf ansprach, sagte er: Ja, das mag sein, aber das macht nichts."

Hoaeb kennt viele, denen es ähnlich ergangen ist. "Viele Männer sind gestorben. Sie sterben, wenn sie nach Hause zurückkehren. Und viele meiner ehemaligen Kollegen sind krank." Blutkrankheiten, verschiedene Krebsarten, Bluthochdruck, Knochenkrankheiten – viele, die von Anfang an in der Rössingmine arbeiteten, leiden darunter.